Die Note 1 ("sehr schlecht") bekommen neben der kommunalen Finanzlage
in dem nicht repräsentativen Stimmungsbild
[?]DatenbasisMit 90 Antworten liegt das Ergebnis der Umfrage über einem Wert,
anhand dessen sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen qualitative statistische Aussagen ableiten lassen. Für eine wissenschaftlich begleitete
Kulturstudie in Osnabrück mit rd. 160 000 Einwohnern (Wer nutzt welche Angebote, wann und warum?) in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt genügten dem
Statistiker Prof. Dr. Reiner Niketta an der
Universität Osnabrück 1995 70 Antworten für aussagefähige Ergebnisse.
sonst nur noch die Aspekte
"Attraktivität als Wirtschaftsstandort" und "Perspektiven im Städtevergleich" verpasst, wenngleich
deutlich seltener. Beide Kriterien landen im Durchschnitt aller Bewertungen mit der Note 3,1 auch
im unteren Drittel. Schlechter schnitten außer den öffentlichen Finanzen nur noch die "Attraktivität
der Innenstadt" (2,7) und "Politische Gestaltungskraft" (2,9) ab.
Als weitere frei formulierbare Probleme stechen die Einkaufsmöglichkeiten in der Innenstadt und das Angebot
günstiger kleinerer Wohnungen hervor. Was die allgemeine Wohn- und Lebensqualität aber
offenbar wenig beeinträchtigt. Die Wohn- und Lebensqualität heimst als einziges Kriterium
in Einzelbewertungen die Bestnote 10 ("sehr gut") ein und liegt mit der durchschnittlichen
Gesamtnote 5,4 auch als einziges Kriterium in der oberen Hälfte der Bewertungsskala. Bestplatziert
in der unteren Hälfte schneidet der öffentliche Nahverkehr mit dem Durchschnittswert 3,8 ab.
"Erhebungen" kein Grund für "bedeutende Schlüsse"
Kommentieren wollen weder die Bürgermeisterin noch die Pressestelle der Stadt die ermittelte Stimmungslage aufgrund
"dieser wirklich dünnen Datenbasis". Eine entsprechende Anfrage wurde gar nicht erst weitergeleitet.
Das "Zustandekommen" sei doch sehr stark vom Zufall abhängig, die
"Erhebungen" reichten "bei weitem nicht aus, um daraus bedeutende Schlüsse zu ziehen", teilt Sprecher Helmut Sonder
per Mail mit.
Gehört Abwiegeln und Bezweifeln zum Tagesgeschäft einer Pressestelle, ein Gang durch die Haupteinkaufsmeile Bahnhofstraße mittags an einem Wochentag
im Februar legt nahe, auch die, die im Rathaus die Geschicke Wittens politisch steuern, trauen keiner Umfrage und offenbar auch nicht ihren Augen.
Die Daumen-runter-Note 2,9 geben die Umfrageteilnehmer
der politischen Gestaltungskompetenz der Wittener Ratsbänkler. Von den
im Stadtrat sitzenden Parteien bezieht die Fraktion des Bürgerforums als erste Stellung. "Die Bewertungen", schreibt Fraktionsgeschäftsführer
Jürgen Jeremia Lechelt, "sind aus unserer Sicht ziemlich eindeutig - der hohe Wert bei der Wohn- und Lebensqualität hängt wahrscheinlich damit zusammen,
dass Witten in Bezug auf Wohnen vorortlastig ist." Ein Konzept zu einer lebendigeren Innenstadt ist daraus allerdings nicht erkennbar. Abwarten scheint ratsseitig
auf den Parteifahnen zu stehen.
"Leider keine anderen Lösungsmöglichkeiten"
Hinnahme, wenig Konzeptionelles auch bei der SPD-Mehrheitsfraktion in der Regierungskoalition. Geschäftsführerin Susanne Linka räumt ein,
das Ergebnis der Umfrage spiegele "natürlich die Probleme der Stadt wider".
Es überrasche "natürlich überhaupt nicht,
dass die städtischen Finanzen am schlechtesten beurteilt werden". Sie seien "mit Abstand das größte Problem". Auf die im bundesweiten Vergleich mit höchsten
Grundbesitzabgaben eingehend, stellt sie fest: Niemand sei über die Höhe der Grundsteuer in Witten glücklich. Auch die Politiker müssten sie bezahlen.
Die massiven Wittener Finanzprobleme, "die nicht selbst verschuldet sind", ließen "leider keine anderen Lösungsmöglichkeiten zu".
Ohne eine Erhöhung der Grundsteuer wäre Witten "handlungsunfähig" geworden. "Der Stillstand, der dann eingetreten wäre,
hätte das Leben in Witten gelähmt und noch schlimmere Folgen für die hier lebenden Menschen nach sich gezogen", so Linka.
Die Kritik an der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Witten sei "vor dem Hintergrund mangelnder Gewerbeflächen ebenfalls sehr gut nachzuvollziehen".
Mit dem neuen Gewerbegebiet Drei Könige und später bei Bedarf am Vöckenberg seien jedoch "aktuell
Weichen für Verbesserungen des Wirtschaftsstandortes Witten gestellt worden". Dass die Wohn- und Lebensqualität in Witten trotz der bestehenden Probleme
"sehr positiv bewertet" worden sei, sei "erfreulich". Es zeige sich, dass "die Vorzüge"
einer "kleinen Universitätsstadt am Fluss mit ihrem großen grünen Umfeld" geschätzt würden.
Witten sei "eine lebendige Stadt", in der "vieles in Bewegung geblieben" sei, "trotz der Finanzprobleme", schwärmt die SPD-Amtsinhaberin abschließend.
Von Anfang an gegen den Standort von Kaufland an der Breite Straße
In einem "neuen nachhaltigen Innenstadtkonzept" sieht die Wittener Bürger Gemeinschaft (WBG) das Gebot der Stunde für mehr eigentümergeführte
Geschäfte auch in der unteren Bahnhofstraße. Die Stadt müsse, "den stationären Einzelhandel stärken" und Ideen liefern für ein
"kreatives Zentrum", sagt der 2. Vorsitzende Stefan Grafe. Das gehe nicht ohne einen attraktiven "Ankermieter", ergänzt Siegmut Brömmelsiek,
der 1. Vorsitzende, der auch die zweiköpfige Ratsfraktion leitet. So sei die WBG von Anfang an gegen den Standort von Kaufland an der Breite Straße
außerhalb der Innenstadt gewesen.
Eine "funktionierende Wirtschaftsförderung" kann die WBG in Witten mit Blick auf die desolate Haushaltslage der Stadt offenbar auch nicht entdecken, sichtbar gemacht mit
einer "Schuldenuhr" auf der Internetseite der WBG und einem Plakat an der Bürowand "aus dem Haushaltsplan unserer Stadt" mit dem Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben
als "Grundsatz der öffentlichen Haushaltsführung". Die "Gewerbeansiedlungspolitik" sei 30 Jahre alt, kritisiert Grafe (52), es fehlten "Kompetenzzentren" und
Angebote für "digitale Dienstleistungen" oder andere "themenorientierte Gewerbeansiedlungen". 28,5 Hektar, rechnet der Diplom-Designer vor, würden als
"Spekulationsflächen" zurückgehalten und stünden nicht zur Verfügung.
"Für sinnlose Gutachten Geld zum Fenster rausgeschmissen"
Dass der "Tauchturm", ein geplantes Tauchsportcenter auf dem ehemaligen Klärwerksgelände in Heven, Ende 2017 endgültig verworfen wurde,
sehen die beiden WBG-Politiker ebenfalls als vergebene Chance. Als Projektkoordinator war Brömmelsiek einer der Initiatoren, als Privatmann und unentgeltlich,
wie der heute 67-jährige pensionierte Feuerwehrmann seinerzeit betonte (WAZ, 10.11.2017). An anderer Stelle werde dagegen
"für sinnlose Gutachten" wie das zur Bepflanzung des Kornmarkts "Geld zum Fenster rausgeschmissen".
Der Rat bremse sich selber aus, moniert Brömmelsiek, "alle heben bei jeder Vorlage der Verwaltung brav die Hände hoch". |
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