Das Grundsätzliche vorweg: Das Trennen von Abfall und Verwerten von Reststoffen wie Glas, Papier, Plastik ist ökologisch und ökonomisch
sinnvoll und notwendig, sollte intensiviert und optimiert werden, das dürfte kaum jemand ernsthaft bestreiten.
Warum die klotzigen Sammelcontainer so hässlich an so vielen unpassenden Orten platziert werden müssen,
das dagegen dürfte kaum jemand wirklich verstehen.
Mannshohe graue Stahlklötze
Auch nicht, dass Stadt und Abfallentsorger den Bewohnern mit ihren Sammelcontainern an jeder zweiten Ecke mit Kubikmeterwucht
weismachen wollen, Wiederverwendung und Wiederverwertung sei etwas völlig Neues, Innovatives.
Immer schon, nicht nur in ländlich und dörflich geprägten Haushalten wie in Bommern,
wurden Pack- und Geschenkpapiere und Glasflaschen verwahrt, schubladen- und kellerregalevoll, bisweilen peinlich wieder benutzt,
wurden Kleidung und Schuhe von jüngeren Geschwistern aufgetragen,
nur eben privat, nicht so großindustriell kapitalistisch organisiert wie heute mit
der Duales System Deutschland GmbH (DSD) und ihren regionalen Gehilfen. Milch beispielsweise wurde in mitgebrachte Henkelkannen
abgefüllt. 52 Pfennige kostete 1964 ein Liter. Beim "Milchmann", der mit seinem Milchwagen werktäglich
in die Dörfer fuhr.
An fünf Standorten zerfressen die mannshohen grauen Stahlklötze der
AHE, nach eigenen Angaben (Internetseite) seit 1991
[?]HintergrundEin Jahr zuvor, am 28. September 1990, war Der Grüne Punkt,
Duales System Deutschland, Gesellschaft für Abfallvermeidung und
Sekundärrohstoffgewinnung, von einem
Verbund in Deutschland tätiger Unternehmen der Lebensmittel- und Verpackungsbranche gegründet worden,
gezielt vor Inkrafttreten der Verpackungsverordnung zum 12. Juni 1991. Es wurde "dual" als zweites Entsorgungssystem zusätzlich zum bestehenden
öffentlich-rechtlichen Abfallbeseitigungssystem aufgebaut.
Die DSD GmbH sammelt, transportiert und sortiert die Verpackungsabfälle allerdings nicht selbst.
Mit diesen Aufgaben werden andere, meist regionale Entsorgungsunternehmen wie die AHE nach öffentlichen Ausschreibungen beauftragt. (aus: Wikipedia)
ein Zusammenschluss des Versorgungsunternehmens AVU
und des Entsorgungsunternehmens Gerhard Heintke,
das Bild der Handvoll Straßen zwischen Nachtigallstraße / Kastanienallee und Bodenborn auf Höhe des Bundesverlags.
Von Hochhäusern kann in diesem Bereich Bommerns keine Rede sein. Die stehen entsorgungsfußläufig
weit weg am Bommerfelder Ring.
Klotzen in Sachen Nachhaltigkeit und Abfalltrennung
Gleich am Tor zur Siedlung "Familienheim" an der Nachtigallstraße mit der Albertstraße
als Hauptschlagader machen die AHE-Kolosse Bewohnern wie Besuchern klar: Hier herrscht ordentliche Abfallwirtschaft.
Was hier früher zählte, Siedlungskultur, straßenbildliche Nachbarschaftshilfe und Gartenpflege,
Kompostieren, Einkochen, Gelieren, Holundersaft in verwahrten Bierflaschen, vielleicht alles ganz nett. Gewesen.
Aber doch nichts im Vergleich zu dem, wie die AHE-Container jetzt wuchtig klotzen in Sachen Nachhaltigkeit
und Abfalltrennung.
Keine 300 Meter liegen zwischen dem Container-Standort an der Nachtigallstraße und der
Sundernstraße, trotzdem sticht schon auf der anderen Straßenseite am Friesenplatz das Tor
zur nächsten Recycling-Area ins Anwohnerauge. Mit noch hässlicheren Folgen. Die Balkone
der gegenüberliegenden Häuser Friesenstraße 1 - 3 wurden zur Straßenseite hin
angebracht, entspannende Sommerabende am ansonsten parkähnlichen Platz mit
uraltem Eichen-, Pappel- und Ahornbestand dürften, ohne die stählernen Containerhaufen auszublenden,
kaum gelingen.
Pakete mit Gerümpel und gebrauchten Windeln
Wer seine Dressur zur getrennten Abgabe wiederverwertbaren Abfalls trotzdem vernachlässigen oder gar vergessen sollte,
wird keine 150 Meter weiter aufwärts an der Ecke Friesenstraße / Auf der Bommerbank
neben der Zufahrt zum Bommeraner Tennisclub schrill in die Welt der "Abfall- und Kreislaufwirtschaft" (AHE)
zurückgeholt. Bevor am Ende der Friesenstraße keine 100 Meter weiter um die Ecke Richtung Rauendahl
gegenüber der Einmündung Unkeweg der nächste Sammelposten Wache steht, zur Abwechslung dort mal nur für
Papier- und Glaswegwerfer. "Bis vor wenigen Jahren standen hier auch noch zwei Glas-Container", sagt
Klaus Szymanski (78). Seit drei Jahrzehnten wohnt er Auf der Bommerbank direkt gegenüber und
konnte das Geschepper der Flaschen kaum noch ertragen. Heute schlucken hier nur noch Behälter für Altpapier,
Kleidung und Schuhe, was die Konsumgesellschaft hinter sich lässt, Pakete mit Gerümpel und gebrauchten Windeln
liegen aber weiter auf der Straße herum, ärgert sich Szymanski.
Weniger verschandelnde Anblickfläche
Selbst wenn dergleichen unterbleibt, allein wie die klotzigen Stahlwürfel bisweilen aufgestellt werden,
erschüttert jegliches Verständnis für ordnungsamtlich offenbar hingenommenen Irrsinn.
Zu beobachten keine 200 Meter weiter zum unteren
Ende der Rauendahlstraße bis zum Bodenborn oberhalb der HEM-Tankstelle. Fast die gesamte Gehwegbreite
blockiert der Altpapierschlucker, der neben die vier anderen Stahlkästen stumpf quer hingeknallt wurde. Stünde
auf dem kleingepflasterten Standstreifen das Auto eines Kunden der gegenüberliegenden Sparkassenfiliale,
was nicht selten
vorkommt, bliebe der jungen Frau mit ihrer Umhängetasche nur ein Spalt, durch den sie sich seitlich zwängen
müsste.
Direkt im öffentlichen Verkehrsweg stehen die Reststoff-Container am Friesenplatz nicht, aber sie
böten weit weniger verschandelnde Anblickfläche, wenn sie wenigstens anwohnerfreundlicher aufgestellt
würden. An der Westseite des Platzes entlang der Sundernstraße stünden sie nicht mehr frontal
zu einer gegenüberliegenden Wohnbebauung, Bewohner der umliegenden Häuser könnten seitlich
an ihnen vorbeischauen.
AHE: große Verantwortung "in unserer Region"
Rechnet man den äußeren Recycling-Standorten Nachtigallstraße / Albertstraße und
Bodenborn die angrenzenden
Wohngebiete teilweise hinzu, bleiben für ein Wohngebiet von der vielleicht zehnfachen Größe des Bommeraner
Tennisplatzgeländes exklusiv zwei AHE-Sammelstellen, einer ohne Altglasabnahme, der andere mit Vollbestückung. Im Bereich
der gesamten vergleichbaren Wohnbebauung zwischen Kastanienallee / Nachtigallstraße bis hoch zur
Frielinghauser Straße wurde nicht eine einzige weitere Container-Station postiert.
Mögen die vornehmlich Ein- und Zweifamilienhäuser auch noch einen
Eindruck vermitteln von Gemüsebeet und Pfaumenmus in den paar Wohnstraßen
zwischen Kastanienallee und Bodenborn, wenn die Container-Posten der AHE nicht eisern für
umweltgerecht getrennte Flaschen und Pappkartons sorgten, würde das Viertel unter Abfallbergen versinken,
so die kolossale Botschaft der stählernen Papier- und Glaseintreiber. Man trage schließlich, so die AHE
auf ihrer Internetseite, "eine große Verantwortung für die (...) Bürger in unserer Region". Um dieser
Verantwortung gerecht zu werden, entwickele sich das Unternehmen weiter, was sich auch an den Unternehmenszahlen
ablesen lasse.
Stadt als Pressesprecherin der AHE und Stadtplan mit Markierungen aller Container-Standplätze
Zu denen die Stadt mit der Auswahl der Standorte möglicherweise beiträgt. Zwischen Stadt und Privatunternehmen wurde geregelt,
"dass die Stadt für die Standplätze zuständig ist, aber die AHE für die Leerung und die Reinigung",
teilt das Presseamt weiter mit. Ob dabei die "recht einfache" 500-Menschen-Umkreis-Berechnung immer eingehalten wird, darf bezweifelt werden.
Unterwürfige, betriebswirtschaftliche Aspekte wie Erreichbarkeit, Anfahrtszeiten, Abholkosten insgesamt
könnten eine ebenso große Rolle spielen.
Eine unternehmerische Nähe zwischen Stadt Witten und AHE besteht offensichtlich, macht sich die Stadt doch zur
Pressesprecherin der AHE und veröffentlicht am 26. Juli 2018 eine Mitteilung des
städtischen Betriebsamts mit dem Hinweis,
"gelbe Säcke", neben Glas und Papier die dritte AHE-Geschäftssäule, erst kurz vor der Abfuhr "rauszustellen".
Außerdem bittet "die Stadt" darum, die Säcke korrekt zu befüllen.
Oder der Einfluss einzelner Bewohnerkreise, bestimmte Wohnbereiche von Belästigung und Verschandelung durch Glas, Papier,
Kleider- und Schuhcontainer zu verschonen, spielt der eine Rolle? Antwort auf eine naheliegende Frage
nach einem Stadtplan mit Markierungen aller Container-Standplätze, der Häufungen und Freigebiete zeigen könnte:
Es gibt keinen.
Leasingverträge für Müllwagen und Müllcontainer
Auch wer nicht sofort an das in Italien geflügelte Wortpaar "Müll und Mafia"
[?]"Müll-Mafia vor dem Kölner Kadi", Die Welt, 20.11.2003 denkt,
andere Fragen, die das Abfallgeschäft allgemein betreffen, werden städtischerseits nicht beantwortet und machen stutzig.
Die AHE steht "weder für ein Interview, noch für ein Foto zur Verfügung", wie sie per Mail wissen lässt.
Das Entsorgen der "haushaltsnahen Abfälle" (Restmüll- und Biotonne) wird
weiterhin hoheitlich von der Stadt erledigt. Eine Rubrik in jedem Rechenschaftsbericht
ist der Verbindlichkeitenspiegel. Der letzte veröffentlichte ist der im Rechenschaftsbericht 2016.
Punkt 3 auf Seite 939 erfasst "Fahrzeuge, Geräte und
Arbeitsmaschinen des Betriebsamtes". Dahinter stecken, Stand 31. Dezember,
"rd. 98 Leasingverträge" mit Gesamtkosten von über 2,23 Mio. Euro
u. a. für "Müllwagen (...) sowie Müllcontainer und Gefäße".
Auch beim Kauf von Müllwagen würden private Anbieter, Hersteller und Händler, an öffentlichen,
steuerfinanzierten Ausgaben verdienen. Leasen ist langfristig aber teurer als Kaufen, weil zusätzlich
ein Kreditgeber seine Hand aufhält. Wem gehören diese Müllwagen und Müllcontainer? Antwort: keine.
Jeder Bistrobetreiber braucht für jeden Tisch, den er vor seinem Lokal auf den öffentlichen Gehweg stellt,
eine städtische Genehmigung und bezahlt Abgaben für den Umsatz und den Gewinn, den er damit erwirtschaften könnte.
Auch, wenn er in einem verregneten Sommer Verluste hinnehmen muss. Eine städtische Genehmigung dürfte die AHE haben,
aber bezahlt sie auch mit demselben unternehmerischen Risiko so etwas wie eine Stellplatzmiete an die Allgemeinheit für ihre Container,
mit denen sie auf öffentlichen Grundstücken wirtschaftet und ganze Wohnviertel verunstaltet? Antwort: keine.
AHE-Geschäftsführung: "nicht verifizierte Behauptungen und Falschaussagen"
Ein Offenlegen aller nicht nur mit der Abfallwirtschaft verbundenen Verträge zwischen Stadt und
Privatwirtschaft könnte viele
Fragen enträtseln. So stehen unter dem Strich nur Zahlen: Von 2013 bis 2016
stieg das sogenannte "negative Eigenkapital"
[?]Fehlbetragkumuliert (aufgehäuft), nicht durch Eigenkapital gedeckt
der Stadt Witten von 105,7 Mio. auf 142,7 Mio. Euro. Eine Steigerung verzeichnete
beispielsweise auch die AHE. Allerdings in positiver Hinsicht. Der Bilanzgewinn
stieg im selben Zeitraum von 2,18 Mio. auf 2,75 Mio. Euro
[?]QuelleHandelsregister, Unternehmensregister.
Zu freuen scheint sich der Entsorger mit Firmensitz im benachbarten Wetter darüber allerdings nicht, jedenfalls nicht öffentlich.
Im Gegenteil. Während die Stadt nur Antworten verweigert, setzt die AHE auf Einschüchterung. "Sämtliche nicht verifizierten
Behauptungen und Falschaussagen in direktem Zusammenhang mit der AHE GmbH"
[?]Anm. d. Red.
Eine "nicht verifizierte Behauptung" ist eine Tautologie, ein weißer Schimmel. Eine Behauptung ist immer "nicht verifiziert". Eine verifizierte Behauptung
wäre keine Behauptung mehr, sondern eine Tatsache.
Eine "Falschaussage" wird, uneidlich oder eidlich, vor Gericht gemacht, nicht in einem journalistischen Text.
in diesem Artikel will Geschäftsführer Johannes Einig "umgehend" gelöscht sehen, herrscht er aus seinem Urlaub per Mail
am 15. August 2018 und droht, "juristischen Beistand" einzuholen, "um das Verbreiten von wissentlichen Falschaussagen (...)
im Zusammenhang mit einer möglichen Reputationsschädigung der AHE GmbH unterbinden und ahnden zu lassen." Auf die Bitte,
konkret zu benennen, welche "nicht verifizierten Behauptungen und Falschaussagen in direktem Zusammenhang mit der AHE GmbH" er denn gelöscht sehen
möchte, kündigt Einig - etwas rechtschreibschwach - "bis zum 28.08.2018" einen "schriftlichen Korrektursatz" an,
der "die entsprechenden Passagen Kennzeichen" werde.
Private Gewinne mit öffentlichen Schulden finanziert
Wem auch immer die Müllwagen und Müllcontainer gehören, die die Stadt auf Pump betreibt,
irgendjemand wird allein an den Leasingverträgen verdienen.
Private Gewinne werden mit öffentlichen Schulden finanziert. "Im Vergleich der Bilanzen",
so die Stadt bereits in ihrem Rechenschaftsbericht 2012 nur auf ihre eigenen Ergebniszahlen bezogen,
bildeten sich "in aller Klarheit die tiefgreifenden Strukturprobleme der Wittener Stadtfinanzen" ab.
Nach dieser (Selbst-)Erkenntnis drängt sich eine Frage geradezu auf: Wenn sich mit Abfall
offensichtlich Geld verdienen lässt, warum erwirtschaftet die Stadt diesen Gewinn nicht selbst,
warum verzichtet sie nicht wenigstens auf privatwirtschaftliche Abfuhrhilfe? Die kostet alle Haushalte
nämlich viel Geld. Die Aussagekraft von Vergleichen zwischen den EN-Kommunen erlaubt nur
grobe Hinweise, allein die Größen der Abfalltonnen schwanken zwischen 80 und 120 Liter,
ähnlich unterschiedlich sind Abholintervalle oder Zusatzleistungen wie Sperrmüll. Dennoch, eine Umfrage
[?]... nur zu Rest- und Biomüll und Papier, ohne Gelber Sack
zeigt: Die mit Abstand höchsten Abgaben werden in den Kommunen mit einem hohen privatwirtschaftlichen
Anteil an der Abfallentsorgung erhoben (siehe Infografik). Sprockhövel und Ennepetal lassen allen Abfall
(Rest- und Biomüll, Papier) von der AHE abholen, Gevelsberg, Schwelm und Witten holen sich
nur bei Papier Hilfe von der AHE, während Hattingen sich, warum auch immer, hinter
"teils (...), teils" versteckt. Die Lizenz für die Papier- und
Glas-Container vergibt ohnehin die Kreisverwaltung.
Abfall ist Rohstoff
Zu denken gibt noch eine andere Schattenseite privatwirtschaftlicher Abfallentsorgung:
Ein Unternehmen, das Abfall entsorgt, sammelt den Abfall ein,
transportiert ihn, trennt ihn, verwertet, verbrennt oder deponiert ihn. Je größer
die Menge, die transportiert, getrennt und verwertet wird, desto mehr Umsatz macht das Unternehmen,
desto mehr Gewinn kann es damit erwirtschaften. Ein privatwirtschaftliches Entsorgungsunternehmen
kann demnach kein Interesse daran haben, Abfall zu vermeiden und die Abfallmenge zu verringern. Für
ein privatwirtschaftliches Entsorgungsunternehmen ist Abfall Rohstoff. Und je mehr Containerstandorte
ein Unternehmen einrichtet beziehungsweise mit städtischem Segen einrichten kann,
in Bommern vier von der Nachtigallstraße / Kastanienallee bis zum Bodenborn,
desto mehr von dem gewinnbringenden Rohstoff kann es einsammeln.
Anders eine
kommunale Abfallentsorgung. Eine Stadt könnte Anreize schaffen, Abfall zu vermeiden. Dann müsste sie
auch weniger Abfall einsammeln, transportieren, trennen, entsorgen und könnte so ihre Kosten senken. Und
nebenbei die Umwelt schonen.
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