Ihrem Projekt mit der Waldschule als jagdpädagogisches Zentrum auf dem Hohenstein in unmittelbarer Nähe
zum Streichelzoo und zum Wildschweingehege widmen die passionierten Jäger einen Großteil ihrer jagdlichen Ambitionen.
Besonders Kindern und Jugendlichen wollen sie damit die Natur als heimischen Lebensraum näherbringen und Wissen
über natürliche Gegebenheiten und Abläufe vermitteln.
Zunehmende Entfremdung von der "Natur vor der Haustür"
Angefangen bei Exponaten der verschiedenen Baum- und Pflanzenarten
lernen Waldschulschüler auch Trittsiegel verschiedener Wildarten wie Schwarzwild, Rehwild oder Rotwild zu unterscheiden, sie
können Sommer- und Winterdecken, wie Wildfelle genannt werden, betrachten und begreifen, ihnen stehen aber auch Präparate
der meisten heimischen Wildtiere zur Nahsicht bereit. Kaum ein Schulkind könne heute noch zwischen einem Kaninchen und einem
Feldhasen unterscheiden, bedauert Oliver Theissen eine zunehmende Entfremdung von der "Natur vor der Haustür".
Finanziell im grünen Bereich
Allerdings wachse die Nachfrage nach dem Lernfach Natur von Jahr zu Jahr, freuen sich die beiden ehrenamtlichen Waldschulmeister,
die allein drei bis vier Stunden in der Woche für die Waldschule aufwenden. Den Betrieb auf dem von der Stadt gepachteten Gelände
halten rund 20 weitere Vereinsmitglieder in ihrer Freizeit am Laufen.
Viele Kitagruppen und Grundschulklassen nutzten das Angebot, aber auch immer mehr Eltern schickten ihren Nachwuchs außerschulisch in den
naturkundlichen Unterricht unter Bäumen.
Finanziert werden die Kosten für die Lehrmittel und die Pacht der Schulungsräume
durch Vereinsbeiträge sowie durch Spenden. Zuschüsse aus öffentlichen Kassen fließen nicht.
Gleichwohl stehe die Waldschule, eine Einrichtung, die "einzigartig im Ruhrgebiet" (Bernd-Dieter Epp) sei, auch finanziell im grünen Bereich. Viele
Eltern seien "gerne bereit", die Angebote der Waldschule, zu denen auch Thementage zu Mardern oder Waldfrüchten gehörten, mit Spenden
zu unterstützen, damit ihre Sprösslinge besser mit der heimischen Natur vertraut werden.
Selbst beim Erlegen eine "Achtung vor dem Leben"
Ihrer Liebe zur Jägerei fröhnen beide Vertreter der Wittener Jägerschaft seit Jahrzehnten. Auch das Ablegen der Jägerprüfung,
Voraussetzung für den Erhalt einer Jagdberechtigung, liegt bei beiden schon mehr als 30 Jahre zurück. Oliver Theissen, der
1. Vorsitzende des eingetragenen Vereins, ist auf einem Bauernhof aufgewachsen. Ihm wurde die Verbundenheit mit der Natur
gewissermaßen in die Wiege gelegt. Als Bankkaufmann ging der 51-Jährige beruflich zwar andere Wege, den Kontakt zum Leben in
freier Wildbahn wollte er aber immer erhalten. Ihn reizt das Wissen um Nahrungsketten und Nahrungskreisläufe von der Entstehung bis zur Verwertung,
und selbst beim Erlegen eines Stücks empfindet er eine "Achtung vor dem Leben" und einen "Respekt vor der Natur". Nicht zuletzt
zähle das Jagdrecht zu den "ältesten Menschheitsrechten", sagt er.
Immer wieder auch "schwarze Rehe"
Vereinsgeschäftsführer Bernd-Dieter Epp sieht in seiner Freude am Jagd- und Forstwesen eine Ergänzung zu seiner beruflichen
Laufbahn. Der 71-jährige pensionierte Biolehrer am Schiller-Gymnasium wollte und will seine wissenschaftlichen Kenntnisse der Molekularbiologie
mit praktischen Erfahrungen ergänzen und vertiefen. Vor der Jägerprüfung absolvierte er auch die Fischereiprüfung. Ein Stück Wild zu schießen
ist ihm "nicht angenehm", er nutzt die "Notwendigkeit" aber
bewusst, um sich beim Ausnehmen und Zerlegen davon zu überzeugen, dass der Rehbock oder Keiler, den er geschossen hat, vorher gesund war. Des Weiteren
beschäftigt er sich gemeinsam mit der Wildforschungsstelle NRW auch mit der Wildgenetik. So erschienen in Witten wie auch in
Norddeutschland immer wieder "schwarze Rehe" auf den Waldwiesen. Auch davon ist ein präpariertes Exemplar in der Waldschule zu bestaunen.
Jäger zweimal zur Hilfe
Eigene Jagdreviere besitzen Theissen und Epp nicht. Derer gibt es in Witten auch nur zwei, die Ländereien der Familie Frielinghaus in Bommern und der Stadtforst
auf dem Hohenstein. Die restlichen 14 Jagdreviere auf städtischem Boden sind Genossenschaftsjagden von Verbünden jeweils mehrerer
Feld- und Waldbesitzer, in der Regel dann gemeinschaftlich verpachtet an einen jagdrechtlich Verantwortlichen. Der wiederum kann anderen Jagdberechtigten mit
"Begehungsscheinen" eine zeitlich befristete Jagderlaubnis erteilen. 75 Hektar muss ein Jagdrevier mindestens groß sein. Die städtische Eigenjagd auf
dem Hohenstein umfasse etwa 100 Hektar, schätzt Theissen.
Die Jagdstrecke bestand im zurückliegenden Jagdjahr (1. April bis 31. März) aus 171 Rehen,
drei Wildschweinen, 19 Mardern und 174 Füchsen. Entgegengesetzt zur positiven Entwicklung der Waldschule
werde das Jagen hierzulande immer schwieriger, stellen Theissen und Epp übereinstimmend fest.
Besonders in den stadtnahen Revieren setzten Mountainbiker und
die Hunde vieler Spaziergänger dem Wild zu. Die ständige Unruhe verscheuche das Wild, die Tiere kommen abends immer später auf die Äsungsflächen,
was das saubere Ansprechen und gegebenenfalls den Abschuss erschwere, der ohnehin nur bis eineinhalb Stunden nach Sonnenuntergang erlaubt sei. Allein im vergangenen
Jahr wurden Jäger zweimal zur Hilfe gerufen, weil Hunde ein Reh gehetzt und so schwer verletzt hatten, "dass es erlöst werden musste",
mahnt Epp Waldbesucher zu mehr Rücksicht.
Stimmung heute "weniger militant"
Andererseits sei das Verhältnis zwischen Jägern und Naturschützern heute jedoch entspannter als vor 50 Jahren etwa, als während
eines Jägerballs, der damals noch jährlich stattfand, Autoreifen zerstochen und in den Revieren Hochsitze
angesägt wurden. Die Stimmung sei heute "weniger militant als in den siebziger Jahren". Das Ansehen der Jäger in der Öffentlichkeit
sei gestiegen, der Jägerschaft werde auch auf Naturschutzveranstaltungen mehr Kompetenz zugesprochen als früher.
Für eine Verbesserung in der öffentlichen
Wahrnehmung spreche das wachsende Interesse am Jagdwesen und der Frauenanteil beim jagdlichen Nachwuchs, der inzwischen bei 30 Prozent liege, wie Epp betont.
240 Jagdberechtigte zählt die organisierte Jägerschaft in Witten und Herbede derzeit, 48 angehende Jungjäger und Jungjägerinnen durchliefen die
vier Schulungen der Kreisjägerschaft allein im letzten Jahr, die etwa 20 Jagdanwärter in privaten Jagdschulen nicht mitgezählt.
Kostenlos ist der Weg zum "grünen Abitur" nicht. Für Schulung, Prüfungsgebühr und die Munition auf dem Schießstand kommen
rund 2 000 Euro zusammen. Das fällt vielleicht nicht jedem Jagdschüler leicht, gewährleistet aber andererseits eine gewisse Ernsthaftigkeit und
Verantwortungsbewusstsein. Zu den Pflichten jedes Jägers gehöre nämlich auch, sich immer eindeutig als Jäger erkennbar zu bewegen und zu verhalten
und nicht "in Jeans und Hawaiihemd mit der Waffe im Wald herumzulaufen", wie Theissen es plastisch ausdrückt.
"Wenig Anblick"
Neben der von Waldnutzern verursachten vermehrten Unruhe zeigen jetzt auch die Waldschäden durch Hitze, Trockenheit und Schädlingsbefall Folgen für die Jagd.
Sie sind auch der Grund für den diesjährig vorverlegten Start in die Bockjagdsaison. Gestörtes und gestresstes Wild ist schwieriger zu jagen,
der Rehwildbestand steigt und damit auch die Verbisse an den Setzlingen in den Aufforstungen, die die in den letzten Jahren zerstörten Waldflächen
in bestimmten, besonders betroffenenen Schadensgebieten ersetzen sollen. Im EN-Kreis ist das der Fall, weshalb die Jagd auf Rehwild behördlicherseits ausgeweitet und
intensiviert wird.
Oliver Theissen hatte bis Mitte April noch keine Gelegenheit zum möglichen vorgezogenen Ansitz auf einen Rehbock, drei Mal ist Bernd-Dieter Epp
in Buchholz auf einen Hochsitz gestiegen, wo er als Inhaber eines Begehungsscheins in einem Revier zur Jagd gehen kann. Er hatte jedoch "wenig Anblick", wie er sagt,
was so viel heißt wie: kein Rehbock weit und breit. |
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