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AUS ALLER WELT | |||||||||||||||||
Reihe "Witten woanders": Wityń in Polen Wendelicht und Wendeschatten
Text und Fotos (16): Walter Budziak, März 2017
Nach der Niederlage der kommunistischen Machthaber und dem Sieg
der demokratischen Opposition bei den Wahlen im | |||||||||||||||||
Wityń, Dorfstraße: Andry Wilk in der Einfahrt seines Hauses Wityń Nr. 7 Andry Wilk (49): bellende Hunde besänftigt und Gittertore geöffnet Andry Wilk (49), Nachbar Bogdan Niezbecki (60): Fremdsprachen noch fremder Andry Wilk (49), Bogdan Niezbecki (60): Blick auf die Visitenkarte des Besuchers Henryk Jasinski (66), Walter Budziak (StadtZEIT Witten): Straßengespräch - Foto: Birgit Kossler Henryk Jasinski (66), Walter Budziak (StadtZEIT Witten): Thema Kombinat - Foto: Birgit Kossler Dorfchronik Rietschütz: gleich nebenan auf der anderen Seite der Bundesstraße Landkarte vor 1945: Witten im Kreis Züllichau-Schwiebus Chronikeintrag: 1 Wassermühle, 5 Gärtnerwirtschaften und 2 Häuslerstellen Henryk Jasinski (66), Eingang Geburtshaus: bis 1965 in Wityń gelebt Henryk Jasinski (66), Geburtshaus: nach Wityń nur noch während der Ferien Geräteschuppen mit Klo: unbeschwerte Kindheit Świebodzin, Rathaus (rot): zu Gast beim Bürgermeister Świebodzin, Markthalle: eine Stunde Autofahrt hinter Frankfurt (Oder) Świebodzin, Christusstatue: dem Wahrzeichen von Rio de Janeiro nachgeahmt Wityń, Dorfstraße: restliches Dutzend Häuser - Foto: wab | |||||||||||||||||
Wer, wie gefühlt Tausende Lkw täglich, nur auf der Bundesstraße durch Wityń heizt, ist genau so schnell wieder rausgefahren,
wie er reingefahren ist. Dass die Bundesstraße überhaupt durch Wityń führt, liegt an einem einzigen Haus, das nördlich
der Asphaltschneise liegt. Das restliche Dutzend Häuser liegt auf der Südseite der Route 92 zwischen Świebodzin und Pniewy. Drei davon liegen links von der asphaltierten Straße nach Kupienino (früher Koppen), die leicht ansteigt. Die anderen liegen an einem Feldweg parallel zur Hauptstraße, der nach rechts abzweigt. Wer in seinem Auto sitzen bleibt, wird aber auch hier keinen Bewohner entdecken. Erst für den Fußgänger mit seiner Fotokamera werden bellende Hunde besänftigt und Gittertore geöffnet. Unterschwellig dunkle Stimmung Andry Wilk kommt entgegen. An seinem Haus
Bogdan Niezbecki kommt von der Straße den Dorfweg entlang. Er will zu seinem Haus, das zwei Häuser neben Andrys Haus liegt.
Fremdsprachen sind ihm noch fremder. Über Andry lässt sich aber herausschälen: Bogdan ist Von Wityń ins Saarland und nach Kanada Zurück auf der asphaltierten Dorfstraße äugt eine ältere Bewohnerin durch die Büsche, die ihr doppelstöckiges Haus abschirmen, das vor Jahrzehnten eine Villa gewesen sein könnte. Auf Fragen in Deutsch oder Englisch antworten kann auch sie nicht, aber sie versteht offenbar „Germany“ und „Journalist“ und zückt sofort ihr Handy, tippt eine Nummer ein und spricht aufgeregt. Bis Augenblicke später Henryk Jasinski in einem blauen Kleinwagen heranfährt, den er in der Einfahrt zum Nachbarhaus parkt. Die hilfsbereite Nachbarin verschwindet scheu wieder hinter ihren Sträuchern, und Henryk erzählt. Geboren ist er in dem weißen Haus mit den grünen Schlagläden, im Schwestern halten in Polen die Stellung Seine Eltern lebten bis zu ihrem Tod in dem Haus, der Vater Henryk hat bis 1965 in Wityń gelebt. Unbeschwert, wie er sagt. Die Schaukel aus seinen Kindertagen steht noch vor dem Haus, als trauere sie alten Zeiten hinterher. Trauma verpasster Gelegenheiten Bis zum Fall des sogenannten Eisernen Vorhangs zwischen Ost und West sicherte ein landwirtschaftliches Kombinat die wirtschaftliche Grundlage des Dorfes. Die meisten der damaligen Unterkünfte würden heute von Landsleuten bewohnt, die sich anderswo keine Wohnung leisten könnten, meint Henryk. Das ehemalige Kombinat und was daraus geworden ist zu beschreiben bereitet ihm aber offenbar nicht nur sprachliche Schwierigkeiten. Mit dem privaten Landgut hügelaufwärts Richtung Kupienino kann er sich abschätzig blickend nicht abfinden. So als leide selbst er als Ausgewanderter unter einem Trauma verpasster Gelegenheiten. Konkrete Vorwürfe will er nicht machen. Aber ein Groll auf vermeintliche "Wendehälse", die den Verfall des kommunistischen Systems zu ihren Gunsten ausnutzten, klingt durch. Mehrmaliges Läuten am schmiedeeisernen Tor des Anwesens bleibt unbeantwortet. Der Weg zum Veranlasser des Wendekaters, der Henryk und scheinbar das gesamte Dorf verfolgt, gelingt schließlich über Świebodzin (früher Schwiebus), dem Verwaltungssitz der Gemeinde, zu der Wityń gehört. Im Rathaus der Stadt mit der angeblich größten Christusstatue der Welt, dem Wahrzeichen von Rio de Janeiro nachgeahmt, greifen Bürgermeister Dariusz Bekisz und Pressesprecherin Marta Florianowicz zum Telefon. |
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