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AUS ALLER WELT
Reihe "Witten woanders": Witten in Afrika
Bergbau lockte auch Ruhrkumpel auf den Schwarzen Kontinent

Von Walter Budziak, 2. April 2018

Sonnig und 27 Grad warm meldet das Meteorologisk Institutt um 16 Uhr am Ostermontag 2018 für Witten in der Provinz Limpopo, Südafrika, und sagt für Dienstag ebenfalls Sonnenschein mit Höchsttemperaturen von 26 Grad bei einer Regenwahrscheinlich von null Prozent voraus. Der Wind weht schwach aus Osten. Auch im gut drei Kilometer entfernten Bochum scheint die Sonne. Westphalia heißt eine weitere deutschnamige Ansiedlung im Umkreis von zehn Kilometern, hinter der an diesem Tag um 18.01 Uhr die Sonne untergeht.

Die "Maphetsa Primary School in Witten, Blouberg Rural, Limpopo" ist neben dem Kartendienst Google Maps und dem norwegischen Wetterdienst YR, einem Zusammenschluss des Norwegian Meteorological Institute und der Norwegian Broadcasting Corporation, die einzige digitale Spur von Witten in Südafrika. Das nächstgelegene Hotel, die Makgabeng Farm Lodge, gehört schon zu Bochum und liegt 8,2 Kilometer entfernt.

Viel von sich preis gibt aber auch die Schule nicht. Sie ist öffentlich, gebührenfrei und trägt das Siegel einer weiterführenden Bildungseinrichtung. Anschrift: Mareis Village Witten, Blouberg Rural, Limpopo, South Africa. Als Ansprechperson wird T.W. Mohlaka aufgeführt, die auch telefonisch erreichbar ist. Weitere Informationen oder gar Fotos, auf denen das Gebäude oder das Kollegium zu sehen wäre, fehlen genauso wie eine Mailadresse. Betreiberin der Internetseite ist auch nicht die Schule selbst, sondern eine Firma pathfinda.com.

Aus der Ferne nur grob gepixelte Bilder

Wie bei den vermutlich namensgebenden Originalen an der Ruhr kommt auch in Südafrika die Nachbarstadt Bochum besser zur Geltung. So wohnen im vermutlich südlichsten Witten der Welt weniger als 1 000 Menschen, im südafrikanischen Bochum laut Volkszählung dagegen 6 777 (Stand: Oktober 2011) gegenüber 5 794 im Oktober 2001. Witten zählt daher nicht zu den "urbanen Gebieten und Orten in der Provinz Limpopo mit mehr als 1 000 Einwohnern" [?]Quellewww.citypopulation.de, während Bochums Bevölkerung in zehn Jahren um 17 Prozent anstieg.

Auch ein Bild lässt sich aus der Ferne nur von der südafrikanischen Namensschwester der größeren Nachbarstadt an der Ruhr machen, wenn auch nur ein grob gepixeltes. Mehr als die Hauptverkehrsachse, vermutlich die einzige mit einer Asphaltdecke, wollte der Kamerawagen von Google Street View vor vielleicht zehn Jahren aber auch nicht zeigen. Ein Fashioncenter, ein Hospital, das Amtsgericht, die Polizeistation, der zentrale Taxistand oder mietbare Bürogebäude sind aber zumindest auf Hinweisschildern erkennbar.

Die "blauen Berge" der Kletterer

Die nächsthöhere Verwaltungsebene von Witten und Bochum auf der südlichen Erdhalbkugel ist der Bezirk Blouberg, benannt nach den "blue moutains" (blauen Bergen), einer Gebirgskette nahe der Grenzen zu Simbabwe und Botswana. Besonders Kletterer schätzen die "big-wall natural climbing" mit Strecken über 350 Höhenmeter, so eine amtliche Beschreibung. Zum Landschaftsbild gehören die subtropische Savanne in der Ebene wie alpine Regionen auf den Berggipfeln.

Blouberg, wie der Bezirk auf seiner Internetseite weiter schreibt, ist eine heiße Gegend mit jährlichen Niederschlägen zwischen 380 und 550 Millimeter pro Quadratmeter. Die meisten Niederschläge fallen während der Sommermonate. Nicht selten wirken sich Dürreperioden auch negativ auf die lokale Wirtschaft aus. Ganzjährig Wasser führt allein der Mogalakwena Fluss, der den Glen Alpine Dam speist, die einzige Quelle von Leitungswasser in der Region. Landwirtschaft, Bergbau und Tourismus bilden die bedeutendsten Wirtschaftszweige, so eine weitere amtliche Feststellung.

Immer dem Trans-Sahara Hwy/N1 nach

179 Stunden wäre man nach Google Maps unterwegs, wenn man auf der schnellsten Route die 12 752 Kilometer von Witten an der Ruhr nach Witten in Südafrika 346 Kilometer nordöstlich von Pretoria fahren wollte. Den Weg weist der Trans-Sahara Hwy/N1. Am Ziel kann man, allerdings wieder im benachbarten Bochum, auch den Spuren der 1947 dort geborenen Mamphela Aletta Ramphele nachgehen, Ärztin und Politikerin, die sich mit ihrem Kampf gegen die Apartheid einen großen Namen gemacht hat, später unterstützt auch von Erzbischof Desmond Tutu, will jedenfalls Wikipedia wissen.

Belegt scheint auch, dass Helene und Carl Franz in Südafrika einen Ort Bochum mit einer Missionsstation gründeten, allerdings wohl nicht 1890, wie Wikipedia behauptet.

Ausbildung in Krankenpflege, Geburtshilfe und medizinischer Diagnostik

Helene Magdalene Elizabeth Schultz kam am 24. März 1866 in Eydtkuhnen (Eydtkau) nahe Kaliningrad in Ostpreußen zur Welt. Sie wollte zunächst Diakonin werden, im Hinblick auf eine Missionskarriere ließ sie sich aber in allgemeiner Krankenpflege, Geburtshilfe und medizinischer Diagnostik ausbilden. Spätestens in der ersten Hälfte der 1890er Jahre ging sie nach Südafrika, wo sie Robert Carl Franz heiratete.

Während des Makgoba Kriegs [?]1894 - 1895Kampf der ZAR (Zuid-Afrikaansche Republiek) gegen den Stamm der Makgoba, der Farmland besetzt hatte. Beendet wurde der Krieg mit der Enthauptung des Anführers, Chief Makgoba (Quelle: Library of Congress). versorgte sie viele Verwundete, eine Aufgabe, die ihr weiteres Leben prägte. Das Paar zog erst 1908 in die Nähe von Polokwane (bis 2005 Pietersburg). Dort kauften Helene und Carl Franz von der Regierung eine Farm "Borkum" und gründeten eine Missionsstation.

Krankenstation für Leprapatienten

1914 legte Helene, ausgezeichnet mit dem "St. Johns Order of the Nurses of Malta" (St. Johns Orden der Krankenschwestern von Malta) und der "King George V Jubilee Medal", dann den Grundstein für eine Krankenstation, in der sie vor allem Leprapatienten versorgte, bis sie am 16. Juli 1835 in ihrer neuen Heimat Südafrika starb [?]QuelleProf. R. C. Franz, South African Heritage Resources Agency, Geni. Aus der einstigen Krankenstation entstand das heutige Helene Franz Hospital an der Bochum Road in Bochum, Limpopo, South Africa.

Witten spricht für Bochum als Ruhrpottableger in Afrika

„Nach dem Ende der Burenkriege 1902 [?]1880 - 1881 und 1899 - 1902Zwei militärische Auseinandersetzungen zwischen der Kolonialmacht Großbritannien und mehreren Burenrepubliken. Die zweite gegen Oranje-Freistaat und Südafrikanische Republik (Transvaal) im heutigen Südafrika endete mit deren Eingliederung in das britische Imperium., wanderten viele Bergleute nach Südafrika aus, um dort in den Minen zu arbeiten“, wird Wolfgang Apelt vom Archiv der Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal jüngst zitiert [?]WAZ, 26.1.2018. „Wahrscheinlich gaben sie ihrer neuen Heimat den Namen ihrer Herkunft“, wie Apelt weiter vermutet. Bis heute werden Bodenschätze, vor allem Gold, Diamanten und Kohle in Südafrika abgebaut. Die Frage, ob das Ruhrgebiet bei Witten/Bochum in Südafrika Pate gestanden hat oder ob zumindest Bochum eher auf eine bereits bestehende Farm "Borkum" zurückgeht, bleibt gleichwohl offen.

Der Nachbarort Witten spricht vielleicht für das Ruhrgebiet. Straßennamen anderswo rund um Pretoria wie Dortmund Street in Sasolburg, in den 1950er Jahren erst für die Arbeiter des Ölkonzerns Sasol gegründet, oder Hagen Road und Hammer Avenue in Randburg (2011 ca. 340 000 Einw.) spiegeln sicher ein Muster in der globalen Geschichte der (Aus-)Wanderungen, als Belege für ein konkretes Beispiel taugen sie nicht. Ein Namenszusammenhang zwischen Witten/Bochum in Limpopo und dem Stadtteil Essenwood im 1 000 Kilometer entfernten Durban (2011 rund 600 000 Einw.) an der Ostküste Südafrikas, der ebenfalls bisweilen als Zeugnis für Bochum als Ruhrpottableger in Afrika herangezogen wird, erscheint ebenso fraglich.


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