Zumindest das geteilte runde blaue Verkehrsschild "benutzungspflichtige
gemeinsame Geh- und Radverkehrsanlage" (Zeichen 240/241 STVO) sollte beseitigt werden, um die gefahrenträchtige Passage zu entschärfen
und Radfahrern wahlweise auch ein Ausweichen auf die Fahrbahn zu erlauben, meint der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club Ennepe Ruhr (ADFC-EN).
Auf die Gefahren der verkehrsrechtlichen Doppelnutzungsvorschrift habe der ADFC-EN seit Jahren hingewiesen, betont die Vorsitzende Susanne Rühl.
Eigens für den Radverkehr installierte Ampeltaste
Auch dafür sehe er derzeit keinen Spielraum für Veränderungen, blockt Andreas Müller, beim städtischen Planungsamt
für die Verkehrsplanung zuständig, selbst diesen Vorschlag ab.
"Das ist naheliegend, wenn man auf den Gehweg kuckt", bestätigt Müller, "das haben Sie auch ganz richtig beschrieben."
Andererseits: "Die Fahrspur ist keine drei Meter breit",
zieht er auf dem Computerbildschirm erkennbar nicht zum ersten Mal das Maßband auf. "Ich komme aus Berlin", erinnert Müller an seinen Wechsel
ins Ruhrgebiet, "ich hatte eine erste Auswertung der Berliner Polizei mitgebracht, 5 000 Radunfälle, mit dem Ergebnis,
Unfälle mit Radfahrern passieren weit häufiger, wenn der Radverkehr abseits der Fahrbahn geführt wird," argumentiert
er eigentlich für den ADFC-Vorschlag. Er fahre
als Radfahrer auch lieber auf der Fahrbahn, "aber nicht an dieser Stelle", sagt Müller. Der Schwerlastverkehr sei hoch,
"so unangenehm das ist, der Radverkehr ist auf der Fahrbahn nicht sicherer", so der Verkehrsplaner.
Hinzu käme, die eigens für Radfahrer installierte Ampeltaste Richtung Bommern "können Sie von der Fahrbahn aus nicht drücken".
Nach links in den Ruhrdeich abbiegen berge für Radfahrer von der Fahrbahn aus eine weitere Gefahrenquelle. Den Radverkehr mit eigenen
Ampelphasen gleichzustellen oder gar zu bevorzugen, funktioniere auch nicht, so Müller. "Wir haben an dieser Stelle jetzt schon die längsten
Rückstaus in der Stadt, 600 Meter in der einen Richtung und anderthalb Kilometer in der anderen Richtung,
morgens und nachmittags unterschiedlich, das ist irgendwann auch gefährlich, wenn benachbarte Kreuzungen überstaut werden. Das ist nicht nur unangenehm,
das führt auch zu Unfällen."
Denkbar wäre, "den Radverkehr nach Bommern ganz zu verbieten"
Die Mindestbreiten bei gemeinsamen Geh- und Radwegen, die die Straßenverkehrsordnung vorschreibt, bringen Müller ebenfalls nicht aus der Ruhe.
Als die Mühlengrabenbrücke 1930 gebaut wurde, habe es diese Vorschriften nicht gegeben, witzelt er. Ernsthaft fügt er hinzu,
man müsse jetzt schauen, "wie kriegen
wir den Verkehr mit der Infrastruktur, die wir vorfinden, am sichersten bewältigt". Denkbar wäre natürlich auch, streng nach Vorschrift,
wenn man der Straßenverkehrsordnung genügen wolle, bei der heutigen Verkehrsdichte und den
vorhandenen Fahrbahnbreiten, den Radverkehr nach Bommern an der Ruhrstraße ganz zu verbieten. "Kollegen, ein bisschen weiter weg, aber auch hier
in der Nähe im Außenbereich, die machen so was. Würden wir nicht machen. Es würde sich hier auch keiner dran halten."
Nach Unfall allen Sachverstand genommen, der zur Verfügung stand
Nur vage äußert sich der Verkehrsplaner bei der vorschriftswidrigen Beschilderung zur Frage, wer im Schadensfall rechtlich haftet.
Die bestehende Regelung sei nicht leichtfertig und auch nicht allein entschieden worden, betont Müller. Es sei schon zu einem Unfall gekommen.
Zwei Radfahrer seien auf der Mühlengrabenbrücke zusammengestoßen. Die Unfallkommission habe sich mit der Kreuzung
und dem Unfall beschäftigt, ebenso die Bezirksregierung, ein Verkehrsingenieur, vorgesetzte Dienstbehörden, "alle haben sich das angesehen
und allen Sachverstand genommen, der zur Verfügung stand. Uns ist nichts Besseres eingefallen." Jetzt müsse schon jemand kommen und konkrete
Vorschläge machen. "Das erwarte ich aber nicht", sagt Müller.
Änderungen auf der Ruhrbrücke ergänzen Neubau der Ruhrdeichkreuzung
Nichtsdestotrotz, der Umbau der Ruhrdeichkreuzung sei nach der Pferdebachstraße das nächste "Leitprojekt" der städtischen Verkehrsplanung.
Nach eingehender Prüfung verworfen wurde die Idee von einem Kreisverkehr, der "für die Kreuzung erste Priorität" gehabt habe,
aber nur bis zu einem bestimmten Verkehraufkommen funktioniere.
Stadtauswärts geplant sind
drei Fahrspuren für den privaten Straßenverkehr, zwei geradeaus, eine für Linksabbieger, dann noch eine Busspur sowie im Ampelbereich
zusätzlich ein separater Radweg, der nach der Kreuzung
wieder mit der Busspur verschmilzt, wie heute schon in Gegenrichtung vor und auf der Ruhrbrücke. Den Radverkehr entgegen der bestehenden
Regelung dann auch Richtung Bommern vom Gehweg zu trennen und auf die Fahrbahn zu verlagern zählt zu den wichtigsten Änderungen, die den
Neubau der Ruhrdeichkreuzung ergänzen sollen, den die Stadt seit 20 Jahren vorhabe. "Aber wenn das Geld dafür nicht da ist?", fragt Müller.
Es könne lange und viel geplant werden, "wir können Förderanträge stellen, wir können gute Gründe finden,
eher dranzukommen als andere Städte, wir können Probleme herausstellen, mehr Geld haben wir davon nicht."
Radverkehrskonzept förderbeantragt
Noch ist der letzte Planstrich aber nicht gezogen. Ab 2019 änderten die stadtauswärts fahrenden Busse ihre Strecken, weil dann alle
über den Hauptbahnhof führen, erläutert Müller. Möglicherweise müsse die neue Brücke über den
Mühlengraben dann noch breiter werden, als bisher vorgesehen, ergänzt Raumplanerin Claudia Angenendt, im Planungsamt eigens
auf die Radverkehrsplanung geeicht. Die 28-Jährige mit Masterabschluss der Uni Dortmund sitzt neben Vertretern der Politik, der Verwaltung,
der Polizei, des ADFC in einer städtischen Arbeitsgruppe, auch im Hinblick auf mehr Klimaschutz. Bestandsaufnahmen und Vorarbeiten, zu kucken,
was wie verbessert werden könnte, welche Einbahnstraßen vielleicht freigegeben werden könnten, so laute der Arbeitsauftrag,
der gerade laufe, sagt Angenendt. Die Runde treffe sich alle zwei Monate. Zwischendurch "muss man auch mal was arbeiten", streut Müller ein.
Ein umfassendes Radverkehrskonzept soll begleitend erstellt werden. Auf 70 000 Euro schätzt Müller die Kosten.
"Ein Radverkehrskonzept ist ein Haufen Arbeit", sagte Müller, die könne sich die städtische Verkehrsplanung nicht leisten.
Ein Förderantrag sei gestellt, aber noch nicht genehmigt. Die Politik habe sich beschwert, dass das alles so lange dauere, aber
"bevor wir es umsetzen, müssen wir das Konzept erst mal haben", verweist Müller auf mögliche Diskrepanzen zwischen Rat und Verwaltung.
Konzept "Witten an die Ruhr" soll Innenstadt mit Fluss verbinden
"Witten an die Ruhr" nennt Müller sein Konzept, mit dem er die Schranke des Stahlwerks zwischen Innenstadt und Flussufer unterqueren möchte.
Durch einen Tunnel unter dem Ruhrdeich sollen Fussgänger und Radfahrer eines Tages ungehindert von der Innenstadt in die Ruhrauen gelangen können. "Nur zum Beispiel,
Sonntagsverkehr, ganze Familien, der kleine
Junge auf seinem Bobbycar, seine Eltern auf dem Fahrrad, die schicken wir bei dem Verkehr, der jetzt da ist, dann nicht mehr über den Ruhrdeich",
skizziert der 64-Jährige ambitionierte Pläne. Dazu gehören für ihn für Erholungssuchende aus weiter entfernten Stadtteilen auch
zusätzliche Parkplätze im Stahlwerksbereich. "Nur damit Sie sehen, wie groß der Aufwand ist."
2022 von F nach E: "Man kann sich das eher wünschen."
In das Jahr 2022 legt Müller den Baubeginn: "Es lässt sich nicht genau sagen. Man kann sich das eher wünschen." Nach der Pferdebachstraße
komme die Sprockhöveler Straße an die Reihe, Kanalisation und Belag. Das könne nochmal ein halbes oder ein Jahr dauern, "und dann ist
die Ruhrdeichkreuzung dran". Kosten: zwischen sechs und acht Mio. Euro, orientiert er sich an Schätzungen, die allerdings schon
drei Jahre alt seien und wenig über die tatsächlich anfallenden Kosten aussagten, so der Verkehrsplaner.
Wird damit eine langfristig Straßenverkehrskreuzung als ein großer Entwurf vorausschauend gebaut?
Die Frage, wie gut eine Kreuzung sein muss,
stellten sich auch Verkehrsplaner, sagt Müller. Straßenkreuzungen unterlägen einer Klassifizierung,
erklärt er, von A, der besten Benotung, bis E und F, gleichbedeutend mit "durchgefallen".
Die Ruhrdeichkreuzung liege aktuell bei F, nach dem Umbau werde Stufe E erreicht.
"Wir werden hier deutlich besser," freut sich Müller,
und das sei, was die Stadt sich mit vertretbarem Aufwand momentan leisten könne. Grundsätzlich stelle
sich die Frage, ob überhaupt breitere Straßen
gebaut werden müssten. "Wer Straßen baut, erntet Verkehr."
Absatzzahlen elektrischer Fahrräder sagen rasant wachsenden Radverkehr voraus
Warum auf dem augenscheinlich vorschriftswidrig engen gemeinsamen Geh- und Radweg auch noch Bauschilder, in Geh- und Fahrtrichtung nicht lesbar, als zusätzliche
Stolperfallen stehen müssen, können auch die Verkehrsplaner nur so konstatieren. "Die Schilder müssen stehen", verteidigt Müller. Auf dem
Gehweg ließen sie sich besser aufstellen "als sonstwo auf der Wiese". Man sei mit dem Tiefbauamt, dem Landesbetrieb und der Baufirma "im Gespräch". Anordnen
würde das städtische Ordnungsamt die Schilder.
Nicht nur anhand der Absatzzahlen elektrisch unterstützter Fahrräder lässt sich ein stetig und rasant wachsendes Radverkehrsaufkommen vorhersagen.
Ein Hinnehmen der bestehenden Geh- und Radwegsverhältnisse am Mühlengraben scheint angesichts dieser Prognose über so viele Jahre nur
schwer vorstellbar. Den Vorschlag, gewissermaßen in des Wortes doppelter Bedeutung übergangsweise für Fußgänger außerhalb
der Steinbrücke eine
vielleicht ein Meter breite Stahlkonstruktion mit Holzplanken ähnlich der Nachtigallbrücke aufzustellen und den Radfahrern den jetzigen
gemeinsamen Geh- und Fahrweg allein zu überlassen, hält Müller für illusorisch.
"Ich kann mir das vorstellen," sagt Müller, "aber das ist Fantasie". Wenn bis zum Umbau der Kreuzung noch
zehn Jahre verstrichen, ja, aber wenn es nur noch fünf Jahre dauere, nein.
"Seit 15 Jahren denken wir, dass wir eigentlich die Kreuzung in vier Jahren umbauen",
rechtfertigt Müller, aber immer sei es dann zu teuer oder etwas anderes sei wichtiger gewesen.
"Vor 15 Jahren hätte man gesagt, wir können das machen." Warum dann nicht wenigstens heute? "Zu teuer." Wie teuer?
"Sicherlich 100 000 Euro."
Bei einem Unfall wären eine Krankenhausbehandlung und lebenslange Rentenzahlungen teurer
Eine Krankenhausbehandlung und lebenslange Rentenzahlungen
bei bleibenden Gesundheitsschäden nach einem Radunfall kosten mehr. Die begleitenden persönlichen physischen und psychischen Strapazen nicht mitgerechnet.
Wie steht die städtische Verkehrsplanung zu einem radikal anderen Mobilitätsmodell mit einem gleichwertigen Miteinander von Kraftfahrzeugen,
Fahrrädern und Fußgängern? "Wir richten auf allen Straßen Tempo 30 ein, dann fährt der Radverkehr einfach so mit",
spielt Müller den Ball in das Feld der Politik: "Dann brauchen wir keine extra Fahrspuren mehr."
|
|
|