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AUS DEM RATHAUS
Museales Mobilitätskonzept
Stufenweise zu den Radstellplätzen

Text und Fotos (8): Walter Budziak, 26.6.2018

Neun Stahlbügel im Boden verankert, ein Stellplatz mit Sicherungsvorrichtung für 18 Fahrräder, kaum ein öffentliches Gebäude in Witten kann mit der neu gebauten, museumsverbandelten Bibliothek mithalten. Das Rathaus nicht, der Bahnhof lange nicht, inzwischen schon, das Haus Witten nicht und der Saalbau schon gar nicht. Ein Musterbeispiel zukunftsweisender urbaner Mobilität. Blöd nur, die Fahrräder, die dort abgestellt werden sollen, müssen treppensteigen können. Der Fahrradstellplatz ist auf beiden Seiten nur über Stufen erreichbar.

Die am wenigsten beschwerliche "Zufahrt" geht von links über die Einfahrt zum hinterhäusigen Parkplatz. Nur zwei Stufen. Allerdings müssen die radfahrenden Bücherfreunde am Bibliothekseingang vorbei. Die Eingangstür, die behindertengerecht automatisch öffnet, schwingt nach außen. Wer also zu nah und nicht schnell genug den Eingangsbereich passiert, wird von der Tür bestenfalls nur erschreckt, schlimmstenfalls umgehauen.

"Stammkundin" Christiane S., die ihren Nachnamen nicht veröffentlicht sehen möchte, meidet diesen kombinierten Hindernisparcours aus Vorfahren bis zu den Stufen und Schieben zu den Abstellbügeln. Die 57-Jährige sichert ihr Fahrrad an dem dafür nicht vorgesehenen Geländer im Eingangsbereich. Auf dem versteckt liegenden Parkplatz hinter dem Gebäude möchte sie ihr teures E-Bike nicht abstellen. Mit ihren Rückenbeschwerden sieht sie keine Möglichkeit, ihr 26 Kilo schweres Fahrrad stufenweise runter- und raufzutragen. "Fragen Sie Leute, die den Stellplatz nutzen", sagt sie, für sie komme er nicht in Frage.

Bürgern "das Radfahren vergraulen"

"Regelmäßig", sagen sie, ketten Hartmut (76) und Friedbert (69) Illian ihre Fahrräder auf dem Stellplatz an und fragen sich, auf die Treppenstufen ringsum angesprochen, jedes Mal: "Wie kann man so was machen?" Mehrmals haben sie auch schon die Angestellten in der Bibliothek auf dieses Ärgernis angesprochen, wie sie sich ereifern, bewirkt habe es nichts. Übertragen auf ein gesamtstädtisches Mobilitätskonzept hätten sie immer mehr den Eindruck, die Stadt wolle den Bürgern "das Radfahren vergraulen."

"Beidbeinig aktiv ankommen"

Ein vernichtendes Urteil, besonders von Senioren, die in einem neuen, urbanen und nachhaltigen Mobilitätszeitalter noch vorne mitradeln wollen. Die Stadt zeigt sich davon wenig beeindruckt. "Da die Nutzer beidbeinig aktiv dort ankommen, ist ein ebenerdiger Zugang keine zwingende Voraussetzung", teilt Pressesprecherin Lena Kücük auf Anfrage mit. Wer sein Rad "absolut ebenerdig" abstellen wolle, könne es schon heute "natürlich hinterm Museum (...), wo auch der Kundenparkplatz für PKW ist."

Ideallösung nicht möglich

Etwas mehr Problemgefühl äußert Dirk Steimann, Vorstand des Kulturforums, unter dessen Fittiche auch das Museum und die Bibliothek firmieren. Die Idee, den Vorplatz als Abstellfläche für Fahrräder zu nutzen, sei erst "im Laufe der Zeit entstanden". Vorher hätten Abstellmöglichkeiten "in kleinerer Zahl" nur auf der Rückseite der beiden Gebäude Museum und Bibliothek bestanden. Dass die Zufahrt eingeschränkt sei, räumt er ein: "Wir wissen von dem Problem." Man habe sich die Frage gestellt, "machen wir das Angebot oder lassen wir's". Da eine Ideallösung nicht möglich gewesen sei, schon gar nicht nachträglich, habe man sich "für das kleinere Übel entschieden", so Steimann. Für Fahrräder seien Stellplätze vor einem Gebäude geeigneter als im rückwärtigen, nicht einsehbaren Bereich.

Mit derart läppischen Fragen gar nicht abgegeben

Das Architekturbüro in Nordkirchen ("Spezialisten im Bibliotheksbau"), das die Bibliothek geplant hat und ganz oben auf seiner Internetseite mit Fotografien von der Bibliothek als Vorzeigeprojekt wirbt, verweigert eine Antwort auf die Frage, ob zu einem zeitgemäßen Neubau einer öffentlichen Bibliothek nicht auch eine Außenanlage gehört, die für zukunftsfähige Verkehrsmittel wie Fahrräder gut gerüstet ist. Wie es scheint, haben sich die Planer des rund 3,1 Mio. Euro teuren Gebäudes, am 21. Juni 2016 mit 70 erlesenen Gästen feierlich der Öffentlichkeit angepriesen, mit derart läppischen Fragen gar nicht abgegeben.

Fahrradstellplätze "künftig barrierefrei"

"Die Umgestaltung des Außenbereiches war (...) definitiv kein Bestandteil der Baumaßnahme", bestätigt Patricia Podolski (SPD), Ratsfrau und Mitglied der Mehrheitsfraktion im Verwaltungsrat des Kulturforums. "Die Berichte der Verwaltung, die wir Verwaltungsratsmitglieder in den Verwaltungsratssitzungen gehört haben", so Podolski weiter, "bezogen sich lediglich auf den Innenausbau des Gebäudes von Bibliothek und Museum."

Den Außenbereich von Bibliothek und Museum neu zu gestalten werde aber "in Angriff genommen", ergänzt Podolski. Dabei gehe es auch um die Fahrradstellplätze vor dem Gebäude, "die künftig barrierefrei zu erreichen sein sollen." Dem werde sogar "ein besonderes Gewicht" beigemessen "vor dem Hintergrund, dass gerade ein Radfahrkonzept für Witten erarbeitet wird."

Im Rahmen finanzieller Spielräume

Einen solchen Optimismus kann Dirk Steimann auf die Frage nach Abhilfen nicht teilen. Der Chef des Kulturforums hat, wie er sagt, mit dem städtischen Bauingenieur Theo Weingarten "kulturforumsintern" vor Ort Möglichkeiten sondiert, die besonders für ältere radfahrende Bibliotheksbesucher misslichen Stellplatzverhältnisse zu glätten. Ideen wie Stahlschienen an den Stufenrändern oder Ersetzen der beiden Stufen zwischen Stellplatz und Eingang durch eine schräge Ebene konnten erstmal nicht zünden. Gegen Jahresende solle, auch im Rahmen finanzieller Spielräume, nochmal geprüft werden.


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